In der Kunstgeschichte taucht die Farbe Blau erst erstaunlich spät auf. Lange malten Menschen mit dem, was sie hatten, mit Erdpigmenten wie Ocker, Rot, Braun und Schwarz. Ein natürliches, haltbares Blau kam in der Umgebung einfach nicht vor. Deshalb findet man es nicht in steinzeitlichen Höhlenmalereien.
Erst um etwa 2500 v. Chr. entstand eines der ersten künstlich hergestellten Pigmente der Welt – das sogenannte Ägyptisch Blau. Es leuchtete in einem klaren Himmelston und wurde auf Wandreliefs und Statuen verwendet. In den Grabmalereien von Theben etwa. Im Grab des Nebamun (um 1350 v. Chr.), wurden damit Wasser, Himmel, aber auch Details in der Kleidung dargestellt. Auch die Krone der Büste der Nofretete, die heute im Ägyptischen Museum in Berlin zu sehen ist, wurde mit diesem Pigment gefärbt.
Ägyptisch Blau gelangte auch in andere Regionen des Mittelmeerraums, über Mesopotamien etwa, nach Griechenland und Rom. Doch der Zusammenbruch des Weströmischen Reichs im 5. Jahrhundert hatte tiefgreifende Auswirkungen auch auf die Kunst.
Für lange Zeit verschwand das Blau weitgehend aus der Malerei.
Im europäischen Frühmittelalter, also etwa zwischen dem 5. und dem 11. Jahrhundert, war die Palette der Künstler überhaupt deutlich eingeschränkt. Viele Pigmente, die in der Antike verbreitet waren, gingen mit dem Römischen Reich verloren, weil das Wissen um ihre Herstellung verschwand oder die Handelswege unterbrochen wurden. Dazu gehörte auch das Ägyptisch Blau.
Theoretisch gab es einige blaue Pigmente, die zur Verfügung standen – etwa Azurit, ein natürlich vorkommendes Kupfermineral oder Indigo, ein Farbstoff pflanzlichen Ursprungs. Und sie wurden auch verwendet, wie in der irischen Buchmalerei (zum Beispiel im Book of Kells). Allerdings reagierte Azurit empfindlich auf Feuchtigkeit und Alkalien, also auf den Kalk in Fresken, und konnte sich dadurch mit der Zeit verfärben, von leuchtend blau zu grünlich oder bräunlich.
Das einzige strahlende Blau, das aus dieser Zeit erhalten geblieben ist, findet sich in der byzantinischen Kunst. In den großen Kirchenmosaiken von Konstantinopel, Ravenna oder Thessaloniki leuchten die blauen Flächen bis heute, weil sie aus gefärbtem Glas bestehen.
Lapislazuli – das Blau der Götter
Lapislazuli, ein Halbedelstein, stammt bis heute fast ausschließlich aus einer einzigen Region: dem heutigen Afghanistan, genauer aus den Minen von Badachschan im Nordosten des Landes, die schon seit über 6.000 Jahren in Betrieb sind. Von dort aus gelangte Lapislazuli über lange Handelsrouten – durch Persien, Mesopotamien und Ägypten – bis ins Mittelmeergebiet. Schon in der Antike galt es als Symbol des Göttlichen. Die Sumerer, Ägypter und später auch die Griechen verwendeten es für Amulette, Schmuck und kunsthandwerkliche Einlegearbeiten.
Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs war Lapislazuli in Europa über viele Jahrhunderte praktisch nicht mehr verfügbar. Erst mit dem Aufblühen des mittelalterlichen Handels über den Orient, vor allem durch die Kreuzfahrten, venezianische Handelsnetze und den Kontakt zu islamischen Kulturen, kam das Material wieder nach Westen. Gleichzeitig begann sich um 1200–1300 ein neues Verständnis von Farbe und Material zu entwickeln.
Es war die Zeit der gotischen Kathedralen, der reichen Handschriften, der Freskenmalerei in Italien; und überall spielte leuchtende Farbe eine ästhetische und eine theologische Rolle.
Das Wissen, wie man aus Steinen Farben gewinnen konnte, war grundsätzlich vorhanden – Pigmente wurden seit der Antike aus Mineralien hergestellt. Aber Lapislazuli stellte eine besondere Herausforderung dar.
Wenn man ihn einfach zerrieb, erhielt man ein grau-bläuliches Pulver, weil helle Gesteinsanteile und reiner Lazuritanteil durchmischt waren. Doch nur das feine Lazuritkorn enthält die intensive Farbe. Es musste also irgendwie vom übrigen Gestein getrennt werden.
Giotto di Bondone, Cappella degli Scrovegni , Padua
Wann und wo genau jemand darauf kam, die zerriebene Substanz mit Wachs, Harz und Lauge zu behandeln, ist nicht belegt. Vermutlich in Norditalien, wahrscheinlich im 13. Jahrhundert, aber genau weiß man es nicht.
Die älteste schriftliche Beschreibung findet sich jedenfalls bei Cennino Cennini in seinem Libro dell’Arte (um 1400).
Das Ergebnis des Verfahrens war Ultramarin, das reinste und leuchtendste Blau, das die Malerei kannte – und zugleich das teuerste Pigment überhaupt.
Sein Name leitet sich vom lateinischen ultra marinum ab – „über das Meer“ –, ein Hinweis auf seinen fernen Ursprung. In der europäischen Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts war Ultramarin so kostbar, dass es meist getrennt vom restlichen Werk berechnet wurde. Auftraggeber hielten im Vertrag fest, welche Partien damit gemalt werden sollten.
Ultramarin verblasste weder an Luft noch unter Licht. Man konnte es gut mit anderen Pigmenten mischen, ohne dass es reagierte und es hatte eine besondere optische Tiefe. Ein samtenes, transparentes Leuchten, das in Fresken und Tempera einzigartig war.
Weil es teurer war als Gold, wurde es oft nur für die zentralen, heiligsten oder wertvollsten Partien eines Bildes verwendet – etwa für den Mantel der Jungfrau Maria oder für den Himmel in Szenen mit Christus.
Das führte dazu, dass Blau zur heiligen Farbe schlechthin wurde.
Jan van Eyck, Madonna des Kanzlers Rolin, Louvre, Paris
Wie das Blau seine Bedeutung fand
Blau war in frühen Kulturen kein symbolisch aufgeladener Farbton. Rot, Schwarz, Weiß und Gelb dominierten als Träger fester Bedeutungen. Rot stand für Leben oder Macht, Schwarz für Tod oder Fruchtbarkeit, Weiß für Reinheit. Da Blau in der Natur in stabiler Form kaum vorkam, spielte es in der Malerei nur eine marginale Rolle.
Viele antike Sprachen, darunter das Altgriechische und auch das Hebräische, kannten nicht einmal ein eigenständiges Wort für Blau. Im Griechischen wurden blaue und dunkle Farbtöne häufig unter „kyaneos“ (dunkel, glänzend) oder „glaukos“ (grünlich, schimmernd) subsumiert.
In der Odyssee beschreibt Homer das Meer als „weinfarben“ („oinops pontos“) – also rotbraun schimmernd, nicht blau. Das hat weniger mit Farbschwäche zu tun als mit einem anderen Farbverständnis. Antike Kulturen ordneten Farben eher nach Helligkeit und Materialwirkung als nach Wellenlänge oder Farbton. Erst im Mittelalter und der frühen Neuzeit entstand ein klares Bewusstsein für die Farbe als eigene Kategorie, mit entsprechenden Begriffen in den europäischen Sprachen.
In den frühen Hochkulturen, also in Ägypten, Mesopotamien oder auch der ägäischen Welt, war Kunst nicht abbildend im modernen Sinn, sondern symbolisch und funktional. Man stellte keine Landschaften dar, sondern Götter, Herrscher, Rituale, Zeichen der Macht oder des Jenseits. Der Himmel war kein Motiv, sondern ein Ort, der durch Gold oder Schwarz symbolisch angedeutet werden konnte.
Blau war also kein notwendiges „Naturpigment“, weil man Himmel, Wasser oder Luft nicht als Themen verstand, sondern als kontextuelle Flächen, die einer symbolischen Ordnung dienten. Eine Landschaftsmalerei, in der man den Himmel wirklich malen musste, gab es schlicht nicht. Die Vorstellung, dass Malerei eine Illusion von Raum oder Natur erzeugen konnte, kam erst viel später auf.
Die Herstellung von Ägyptisch Blau um 2500 v. Chr. war daher eher eine technische Errungenschaft, nicht das Ergebnis einer gezielten Suche nach einer „bedeutungsvollen“ Farbe. Der Aufwand, der betrieben werden musste, um es zu gewinnen, machte es zu etwas Besonderem. Und durch seine Verbindung mit Himmel und Wasser bekam Blau allmählich eine spirituelle Dimension. In Ägypten stand es für das Göttliche, Ewige, für Schutz und Wiedergeburt. Das waren Qualitäten, die man mit Himmel und Nil verband.
Im 1. Jahrhundert v. Chr. und n. Chr. begann man, Tiefe, Atmosphäre und Himmelstöne darzustellen. In den Wandmalereien von Pompeji oder Herculaneum taucht Blau dann tatsächlich als Raumfarbe auf – meist in Form von Ägyptisch Blau oder Azurit, oft gemischt mit Weiß, um Lichteffekte zu erzielen.
Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs im Westen verschwand aber auch diese Art der Darstellung. In der mittelalterlichen Kunst hatte die Landschaft wieder keine Bedeutung. Der Bildraum wurde flach, symbolisch, göttlich. Man brauchte kein Pigment für Himmel oder Horizont, weil es diesen Himmel im perspektivischen Sinn gar nicht gab.
Als Lapislazuli in der europäischen Malerei verwendet wurde, war es zunächst vor allem ein Prestigesymbol. Das Pigment war enorm teuer; wer es sich leisten konnte, demonstrierte Reichtum und Frömmigkeit zugleich. Das Blau stand für den Himmel, die Reinheit. Aber nicht die religiöse Symbolik führte zur Verwendung von Blau, sondern die Seltenheit und Kostbarkeit des Materials trug dazu bei, dass es heilig wurde.
Ein Zufall mit Folgen – Preußischblau
Ab dem 16. Jahrhundert, als der Seehandel expandierte, gelangte Indigo aus Indien in großen Mengen nach Europa und auch in die Werkstätten dortiger Maler, zunächst als Zusatzstoff, um Lasuren und Tinten zu färben.
Er eignete sich nicht gut für pastöse Anwendungen, aber er ließ sich hervorragend mit Wasser oder Leim mischen und ergab ein weiches, dunstiges Blau, das in dünnen Schichten transparent blieb. Weshalb Indigo allmählich Verwendung in der Aquarellmalerei fand.
Es dauerte allerdings noch 2 Jahrhunderte, bis Aquarellfarben zu einem eigenständigen Kunstmedium avancierten, zunächst wurden sie vor allem für Skizzen, Karten und Illustrationen genutzt. Doch lange, bevor es so weit war, tauchte ein neues Blau in der Kunstwelt auf. Wie viel von dieser Geschichte tatsächlich den Tatsachen entspricht, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Die Legende geht jedenfalls so:
1706 will der Farbmacher Heinrich Diesbach in seiner Berliner Werkstatt ein rotes Pigment herstellen. Doch die benötigte Pottasche geht ihm aus. In der Nachbarschaft wohnt der Theologe, Alchemist, Arzt und Naturforscher Johann Conrad Dippel. Dippel ist exzentrisch, er sucht den Stein der Weisen und er experimentiert mit Tierknochen, Blut und Chemikalien. Um ihn ranken sich übrigens noch ganz andere Legenden, die, so sagt man, Mary Shelley zu Ohren kamen, als sie 1814/1815 Deutschland bereiste und auch Schloss Frankenstein, Dippels Geburtsort besuchte ...
Das aber nur am Rande. Diesbach jedenfalls geht die Pottasche aus und Dippel gibt ihm von seiner eigenen. Die ist aber aufgrund seiner Experimente mit tierischen Materialien, vermutlich getrocknetem Blut, verunreinigt. Die organischen Stickstoffverbindungen reagierten mit Eisenverbindungen zu einem komplexen Eisen-Cyanid. Das Ergebnis war ein kräftiges, tief-blaues Eisenhexacyanoferrat – chemisch stabil, farbintensiv und völlig neu.
Katsushika Hokusai, Die große Welle, MET, New York
Im Gegensatz zu Ultramarin aus Lapislazuli war Preußischblau (auch Berliner Blau, Eisenblau oder - nach einem Hersteller - Miloro-Blau) leicht anzufertigen und preiswert. Die Entdeckung verbreitete sich schnell über Europa.
Um 1724 veröffentlichte der Chemiker John Woodward in London eine Beschreibung des Pigments unter dem Namen Prussian Blue.
Von da an wurde es in England, Frankreich und Holland großflächig produziert.
Das Pigment war lichtbeständig und von intensivem kühlen Ton. Es machte Blau für alle verfügbar und veränderte so nicht nur die Kunst. Wenige Jahrzehnte nach seiner Entdeckung war es in Künstlerpaletten, Druckereien und Manufakturen allgegenwärtig. Bis heute wird das Pigment medizinisch genutzt. Es bindet Metallionen im Körper und dient daher als Gegengift gegen radioaktives Cäsium und Thallium.
Ab dem 18. Jahrhundert wurde Preußischblau zu einem der wichtigsten Pigmente in der Kunst. In Japan verwendete Katsushika Hokusai es für seine berühmte Große Welle von Kanagawa (um 1830). In Europa taucht es bei Jean-Baptiste-Siméon Chardin, Antoine Watteau, Thomas Gainsborough, Caspar David Friedrich und vielen anderen auf.
Auch Goethe experimentierte mit Preußischblau in seiner Farbenlehre.
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Andres Kilger (Fotograf)
Vom Handwerk zur Chemie
Die Entdeckung von Preußischblau zeigte erstmals, dass sich Farbe aus chemischen Reaktionen gewinnen ließ und nicht allein aus dem Zerreiben natürlicher Stoffe. Aber niemand konnte die Reaktion vollständig erklären, geschweige denn gezielt neue Pigmente daraus ableiten. Zwar wusste man aus Erfahrung, dass Kupfer Grün oder Blau ergibt, Eisen Ocker, Rotbraun oder Schwarz, Blei Weiß und Quecksilber Zinnoberrot, aber ohne chemische Erklärung. Man sprach von „Metallgeistern“ oder „Dämpfen“, aber man wusste nicht, was bei der Farbentstehung tatsächlich passierte.
Erst im 18. Jahrhundert begann man, diese Erfahrungen systematisch zu untersuchen. Also ein Übergang von empirischem Wissen zu wissenschaftlichem Verständnis. Zwischen etwa 1772 und 1789 fand Antoine Laurent de Lavoisier heraus, dass ein Stoff bei der Verbrennung an Gewicht zunimmt, weil er Sauerstoff aus seiner Umgebung aufnimmt und dadurch neue Verbindungen – Oxide – entstehen. Bis dahin hatte man geglaubt, dass beim Verbrennen oder Rosten ein „Feuerstoff“ entweicht.
Lavoisier wurde damit zum Begründer der modernen Chemie. Das neue Verständnis von Verbrennung führte zu Verbesserungen in der Metallurgie, in der Herstellung von Glas, Keramik, leider auch Sprengstoffen, aber auch Medizin und später zur Entwicklung der chemischen Industrie des 19. Jahrhunderts. Und es führte zu neuen Erkenntnissen in der Herstellung von Farben, denn man erkannte, dass Oxide für die Farbwirkung der Metalle verantwortlich sind.
Kobaltblau
Kobalterze waren schon seit dem Mittelalter bekannt, vor allem im Erzgebirge, in Sachsen und in Skandinavien. Bergleute hassten sie, weil sie beim Schmelzen übelriechende, giftige Dämpfe abgaben und kein Silber lieferten, obwohl sie in silberführenden Gängen vorkamen. Sie hielten sie deshalb für „verhext“ und nannten sie Kobold-Erze.
Schon im späten Mittelalter und in der Renaissance wusste man allerdings, dass sich aus diesen Erzen bläuliche Glasuren herstellen ließen (z. B. bei venezianischem Glas oder Meißner Porzellan). Man dachte zunächst, die Farbe sei eine Eigenschaft des Minerals oder des Schmelzprozesses – nicht eines bestimmten Metalls. Später, ab dem 17. Jahrhundert etwa, kamen dann erste Vermutungen auf, dass Kupfer die Ursache sein könnte, weil viele bekannte blaue Pigmente (Azurit, Ägyptisch Blau, Kupfergrün) Kupferverbindungen waren.
Aber Georg Brandt, ein schwedischer Chemiker, entdeckten um 1730, dass die blaue Farbe nicht durch Kupfer entsteht, sondern durch ein bisher unbekanntes Metall. Brandt isolierte es erstmals und nannte es Kobalt.
Das war eine der ersten Entdeckungen eines „neuen“ Metalls überhaupt.
Dann, etwa 70 Jahre später, griff Louis Jacques Thénard (1802) diese Erkenntnisse auf. Er wusste nun – dank Brandt, dank Lavoisier, dank der allgemeinen Fortschritte der Chemie –, dass Kobalt ein chemisches Element ist, dass Oxide bestimmte, reproduzierbare Farben ergeben, und dass man Pigmente gezielt erzeugen kann, wenn man die Zusammensetzung kontrolliert.
Also experimentierte er mit Kobaltoxid und Aluminiumoxid, erhitzte sie stark, und erhielt schließlich das stabile, klare Kobaltblau.
Als Kobaltblau zu Beginn des 19. Jahrhunderts (1802) auf den Markt kam, standen Malern zum ersten Mal drei qualitativ unterschiedliche, aber technisch kombinierbare Blautöne zur Verfügung.
Ultramarin war warm, samtig, mit einem leicht rötlicher Unterton.
Preußischblau war tief, dunkel, fast schwarzblau, mit grünlichem Schimmer.
Kobaltblau war neutral, kühler, klarer, luftiger, ein reines, mittleres Himmelblau.
Die Entdeckung der Landschaft
Bis ins 18. Jahrhundert galt Landschaft in der Hierarchie der akademischen Malerei als „niedere Gattung“. Die Historienmalerei stand an der Spitze, weil sie als intellektuell galt. Landschaft war Beiwerk, dekorativ, aber nicht bedeutungstragend.
Das änderte sich. Im späten 17. und vor allem im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Landschaft langsam von einem Hintergrundmotiv zu einem eigenständigen Thema. Malerschulen in Holland, Italien und England begannen, Natur nicht mehr nur als Kulisse für mythologische Szenen zu zeigen, sondern als Erlebnisraum.
Als Kobaltblau verfügbar wurde, traf es auf eine Generation von Künstler*innen, die bereits Licht, Luft und Atmosphäre als zentrales Motiv verstanden hatte.
Das Bedürfnis, Natur zu malen, ging also der Verfügbarkeit der Farben voraus.
Kobaltblau hatte erstmals den optischen Charakter des Tageslichts, ein mittleres, neutrales, leicht gedämpftes Himmelblau, das sich in Lasuren aufhellen ließ, ohne ins Grau zu kippen. Das war ideal für die neuen Themen, Himmel, Ferne, Luftperspektive.
Durch die neue Farbe verstärkte sich der Trend. Die Technik folgte dem künstlerischen Interesse, und das künstlerische Interesse folgte wiederum den neuen Möglichkeiten der Technik.
Joseph Mallord William Turner The Fighting Temeraire 1839, National Gallery, London
Nach Kobaltblau begann die Chemie, sich systematisch mit Pigmentherstellung zu beschäftigen. Die großen europäischen Laboratorien – in Paris, London, München – suchten nach Wegen, natürliche Farben synthetisch und günstiger zu erzeugen.
Das Ziel war, Pigmente zu schaffen, die lichtecht, deckend, preiswert und chemisch stabil waren. Der nächste große Schritt war synthetisches Ultramarin, 1828 in Frankreich entwickelt.
Mit der künstlichen Variante war Ultramarin nun für alle erschwinglich.
Neue Verbindungen
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen dann neue Kobaltverbindungen hinzu, etwa Céruléumblau (Cerulean Blue), ein helles, grünlich-blaues Pigment (um 1860).
Das klare, leicht grünliche Himmelblau wurde besonders für Landschafts- und Plein-Air-Maler wichtig. Die Impressionisten liebten es, weil man damit atmosphärische Effekte malen konnte. Monet soll Cerulean gezielt eingesetzt haben, um die "kalte Frische" von Licht zu fassen, ein Kontrast zu den warmen Tönen seiner Sonnenuntergänge.
Phthalocyaninblau (Phthalo Blue) wurde 1927 entdeckt und ist seit den 1930ern auf dem Markt. Bis heute gehört es zu den Standardpigmenten. Phthalocyaninpigmente sind so farbstark, dass winzige Mengen reichen. Das macht sie in der modernen Malerei zu echten Arbeitstieren. Sie decken nicht nur riesige Flächen, sondern bleiben jahrzehntelang stabil. Künstler wie Pablo Picasso und David Hockney verwendeten es in ihrer Malerei.
Im Colour Index International, dem Standardverzeichnis für Pigmente und Farbstoffe, sind aktuell rund 170 Blautöne gelistet. In der modernen Künstlerpalette spielen allerdings nur etwa 10–15 Pigmente eine konstante Rolle, meist Varianten von Kobalt-, Ultramarin-, Cerulean- und Phthaloblau und dazu einige synthetische Spezialpigmente. Aus ihnen entstehen durch verschiedenen Rezepte und Mischungsverhältnisse verschiedene Farbtöne. Manche Hersteller bieten allein 20–30 verschiedene Blaunuancen an.
Berthe Morisot Summer's Day about 1879, National Gallery, London
Man könnte sagen, die alten Pigmente (Lapislazuli, Azurit, Ägyptisch Blau, Preußischblau, Kobaltblau, synthetisches Ultramarin, Ceruleanblau, Phthaloblau) bilden die „Stammlinie“.
Alles, was danach kam, sind Verzweigungen oder Abwandlungen – neue Rezepturen, aber keine grundsätzlich neuen Entdeckungen mehr.
Das letzte wirklich neue Blau, das in der Fachwelt Aufsehen erregte, war YInMn Blue, entdeckt 2009 an der Oregon State University.
Es ist das erste neue anorganische Blau seit fast 200 Jahren.
Erst 2020 ließ die US-amerikanische Umweltbehörde (EPA) das Pigment offiziell für den Einsatz in Künstlerfarben zu. In der EU ist es ebenfalls als Pigment für Kunstfarben zugelassen. Der Farbton ist klar und sehr rein, ohne Grünverschiebung. Das Blau hat trotz hoher Deckkraft ein brillantes Leuchten. Einige Künstler beschreiben es als eine Art „modernes Kobaltblau“, nur etwas satter und noch stabiler.
Das Pigment ist extrem teuer, deutlich teurer als Kobaltblau oder synthetisches Ultramarin. Daher ist die Produktionsmenge gering.
Einige Hersteller wie Gamblin, Kremer Pigmente, Daniel Smith oder Golden haben kleine Chargen herausgebracht.
Übrigens, Blau ist in nahezu allen weltweiten Studien die am häufigsten genannte Lieblingsfarbe.
Das gilt für Europa, die USA, große Teile Asiens, Australien und viele afrikanische Länder.
Der Anteil schwankt je nach Studie, aber meistens antworten zwischen 30 % und 45 % der Befragten mit „Blau“.
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