Es gibt Tage, da fehlen mir die Worte. Nicht, weil es nichts zu sagen gäbe, sondern weil mir Sprache manchmal zu klar, zu direkt, zu festgelegt ist. Sie will eine Form, wo ich noch keine habe, oder wo ich noch nicht weiß, wie sie aussieht. Sie will Struktur, wenn in mir noch Chaos ist. 

Ich bewundere Menschen, die mit Worten malen können. Mir ist das nicht gegeben. Ich greife lieber zu Farbe und Pinsel. Dann mische, schichte, kratze ich, lasse laufen. Ich muss nicht erklären, was ich da tue – ich tue es einfach. Und merke oft erst später, was in mir gearbeitet hat.

Zwischentöne ohne Worte

Farben verlangen keine Begründung. Sie brauchen keine Überschrift.
Sie dürfen nebeneinander stehen, sich überlagern, sich widersprechen – das Unsichere, das Wilde, das Zarte.

Ein dunkles Grün neben einem gebrochenen Rosé kann mehr über meine Stimmung erzählen als ein Tagebucheintrag. Wenn ich selbst nicht genau benennen kann, was gerade in mir vorgeht – auf der Leinwand oder dem Papier zeigt es sich oft ganz von allein.

Manchmal schaue ich ein fertiges Bild an und denke: Stimmt, so hat es sich angefühlt.
In Worten hätte ich das vielleicht nie ausdrücken können. Es ist ein bisschen so, als würden die Farben für mich sprechen – auf ihre eigene, vielschichtige Weise.

Vertrauen in den Prozess

Gerade liegt ein Projekt auf meinem Maltisch, bei dem ich bewusst mit Farben spiele. Ganz ohne konkretes Ziel. Die Töne sind eher ungewöhnlich für mich. Viel kräftiger, als ich sie normalerweise verwende – und intuitiv entstehen daraus Kompositionen, die blumig und üppig wirken. Ich hadere ein bisschen damit und spüre: Das, was da entsteht, ist noch nicht ganz meins.

Früher hätte ich vielleicht versucht, es gleich richtig zu machen. Heute versuche ich, geduldiger mit mir zu sein. Aber auch mutiger. Einfach mal zuzulassen, dass nicht immer alles gedeckt sein muss.
Ich betrachte, lasse stehen, nehme mir den Druck raus. Und vertraue darauf, dass sich mit der Zeit zeigt, was bleiben darf – und was weitergehen will.

Diese Offenheit gegenüber dem eigenen Prozess ist für mich genauso ein Akt des Vertrauens wie das Malen selbst. Ich zwinge dem Bild keine Bedeutung auf, sondern schaue, was es mir erzählt. Manchmal erst Tage oder Wochen später.

Farbe als Resonanzraum

Ich male fast immer ohne feste Idee, was am Ende entstehen soll. Es gibt keinen Plan, kein fertiges Bild im Kopf. Meist fertige ich nicht einmal Skizzen an. Ich beginne irgendwo – mit einer Farbe, einer Bewegung, einer Form. Und schaue, was passiert.

Oft verstehe ich erst im Nachhinein, was da eigentlich aus mir herauswollte. Welche Stimmung, welches Thema sich eingeschrieben hat. Es ist ein bisschen wie Spurenlesen im eigenen Inneren. Was auf dem Papier entsteht, ist meist unbewusst – aber es ist wahr. 

Auch für mich ist dieser Prozess spannend, kann sogar schmerzhaft sein, wenn ich etwas zutage fördere, was lang in mir vergraben war. Beim Malen finde ich Traurigkeit in mir. Aber auch Freude. Manchmal auch beides gleichzeitig. Beim Malen muss ich Widersprüche nicht auflösen, ich kann ihnen Raum geben.

Letztendlich begegne ich mir selbst in meinen Bildern, in den Farben. Meine Kunst ist nicht nur ein Mittel, mich auszudrücken, sondern immer wieder auch eines, um mich zu hinterfragen, mich zu erkunden und kennenzulernen. Sie ist mir Trost und Erkenntnis, Spielplatz und Freude.

Vertrauen als Haltung

Unzufriedenheit mit meinen (Zwischen)ergebnissen auszuhalten, fällt mir nicht immer leicht. Gerade weil meine Kunst so persönlich ist. Aber vielleicht ist das Vertrauen in Farben auch ein Vertrauen ins Nichtwissen. Ins Nicht-festlegen-Müssen. In das, was zwischen den Dingen liegt.

Vielleicht ist das der wahre Kern meiner Malerei: nicht die Antwort auf eine Frage zu geben – sondern das Vertrauen zu haben, dass das Bild selbst die Frage stellt.

Jetzt für den Newsletter anmelden und
nichts mehr verpassen

Erhalte exklusive Einblicke in meine kreativen Prozesse, erfahre die Geschichten hinter meinen Kunstwerken
und erhalte Einladungen zu meinen Ausstellungen und Events.

Als Dankeschön schenke ich dir 10% Rabatt auf deinen ersten Einkauf.

About the Author Lea Finke

Lea Finke ist Künstlerin mit ganzer Seele. In ihrem Blog erzählt sie von Inspiration, Leidenschaft und der Begegnung mit Kunst.