Manchmal stoße ich bei der Recherche für meine Blogartikel auf kleine Details, die mein Thema plötzlich viel lebendiger erscheinen lassen. So erging es mir auch dieses Mal, als ich entdeckte, dass eine Rose den Namen „Berthe Morisot“ trägt. Eine Rose – zart, aber widerstandsfähig, voller Eleganz und doch bodenständig. Irgendwie passt das perfekt zu der Frau, die als eine der bedeutendsten Impressionistinnen gilt. Auch ihre Gemälde zeigen diese feine Balance zwischen Zerbrechlichkeit und Stärke, zwischen Leichtigkeit und Tiefe.
Berthe Morisot war eine wahre Pionierin in einer Zeit, in der Frauen in der Kunstwelt oft an den Rand gedrängt wurden. Als Mitbegründerin des Impressionismus schuf sie Werke, die mit zarten Pinselstrichen und subtilen Farbnuancen ein Gefühl von Intimität und Wärme vermitteln. Obwohl ihr Name weit weniger bekannt ist als der ihrer männlichen Kollegen Claude Monet, Edgar Degas oder Auguste Renoir, hat sich Berthe Morisot ihren Platz in der Kunstwelt erobert.
Wer war diese Frau, die es geschafft hat, sich in einer Zeit, in der die Kunst fest in Männerhand war, einen Namen zu machen?
„Ich glaube nicht, dass es jemals einen Mann gegeben hat, der eine Frau als absolut gleichgestellt behandelt hat und das war alles, was ich immer verlangt habe – denn ich weiß, ich bin genauso gut wie die Männer.“
- Berthe Morisot
Berthe Morisot: Zwischen Talent und Geschlechterrollen
So leicht war es nämlich nicht. Obwohl Berthe Morisot eine der bedeutendsten Impressionistinnen war, wurde ihr Werk (schon zu Lebzeiten, erst recht aber in den Jahrzehnten nach ihrem Tod) lange hinter ihrem Status als „Muse“ und Schwägerin von Édouard Manet versteckt. Auch wird immer wieder behauptet, sie sei seine Schülerin gewesen. Das war sie keineswegs! Bereits lange vor ihrer Bekanntschaft mit ihm war sie eine eigenständige Künstlerin und als solche erfolgreich. Doch diese Reduktion ihrer Rolle auf das Verhältnis zu einem männlichen Kollegen war typisch für die Marginalisierung von Künstlerinnen.
Als Frau war Morisot von vielen wichtigen künstlerischen Netzwerken ausgeschlossen - wie von zentralen Orten für den Austausch von Ideen und das Knüpfen von Kontakten in der Kunstwelt. Ohne diesen Zugang war es für sie nicht nur erschwert, in der Kunstwelt Fuß zu fassen, sie wurde auch deutlich beschränkt in ihrer Themenwahl. Die begehrtesten Motive Ende des 19. Jahrhunderts, das öffentliche Leben in Bars, Cafés und Theatern, blieben ihr verschlossen. Morisot musste sich auf häusliche und private Szenen konzentrieren.
Trotzdem gelang es ihr, sich eine erfolgreiche Karriere aufzubauen. Aber immer wieder musste sie mit geschlechtsspezifischen Vorurteilen kämpfen. Zeitgenössische Kritiker und das Publikum neigten dazu, ihre Werke durch eine genderbasierte Linse zu betrachten. Selbst wohlmeinende Kritiker wie Émile Zola lobten zwar ihren Stil, doch das Vokabular, das verwendet wurde, reduzierte sie oft auf das weibliche Geschlechterstereotyp, wenn sie ihre Kunst als „zart“, charmant“, „graziös“ oder „feminin“ klassifizierten - Attribute, die Morisots Werke in einem vermeintlich „weiblichen“ Licht erscheinen ließen und damit unterschwellig abwerteten.
1880 beschrieb der Kritiker Charles Ephrussi ihren Stil so: „Man meint, dass sie auf ihrer Palette Blütenblätter zerkleinert, um sie dann anschließend auf der Leinwand in sehr spirituellen Pinselstrichen wieder auszubreiten. Der Zufall scheint sie auf den Malgrund verteilt zu haben. Sie passen sich dann einander an und etwas sehr Feines entsteht, das lebhaft und charmant wirkt und das man eher erahnt, als dass man es wirklich sieht.“
Mein Problem hiermit ist nicht die blütenweiche Beschreibung der Werke einer Frau, sondern die Ausschließlichkeit ebendieser.
Doch beileibe nicht alle Kritiken waren wohlmeinend. Albert Wolff, ein konservativer Kunstkritiker des späten 19. Jahrhunderts, schrieb über die 5. Impressionisten-Ausstellung ebenfalls im Jahr 1880 einen Artikel in Le Figaro. Einige der männlichen Impressionisten lobte er zurückhaltend als mutig und innovativ. Morisots Malstil dagegen verunglimpfte er - Kotzbrocken! - als unvollständig und launisch, was er auf ihre Weiblichkeit zurückführte.
"Warum macht sie sich, bei ihrem Talent, nicht die Mühe, ihre Bilder fertig zu malen? Morisot ist eine Frau und somit launisch. Wie Eva beißt sie in den Apfel hinein, gibt ihn dann aber viel zu schnell auf. Das ist schade, denn sie beißt sehr gut“.
Hätte Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis aufgegessen, wäre für Adam - und alle Männer nach ihm - nichts übrig geblieben. Ich glaube allerdings nicht, dass das im Fall von Albert Wolff einen Unterschied gemacht hätte.
Was bei Männern als kraftvoll und fortschrittlich galt, wurde bei Frauen als unvollendet und kapriziös abgetan.
Eine bedeutende Impressionistin
Berthe Morisot wuchs in einer wohlhabenden, gebildeten Familie in Bourges, Frankreich, auf. Kulturelle und künstlerische Interessen wurden von der Familie gefördert. Von der Mutter ermutigt, studierte Berthe zusammen mit ihrer Schwester Edma bei verschiedenen Malern aus der Schule von Barbizon. Da Frauen in dieser Zeit an den staatlichen Kunstakademien nicht zugelassen waren, erhielten sie Privatunterricht.
Edma und Berthe besuchten oft den Louvre, wo sie Kopien der Meisterwerke anfertigten und sich intensiv mit den verschiedenen Maltechniken auseinandersetzten. Dort machten sie die Bekanntschaft anderer junger Maler, die dort ebenfalls Studien vornahmen. Unter anderem lernten sie so Claude Monet und Edgar Degas kennen.
Die Beziehung zwischen Berthe und ihrer Schwester Edma war sehr eng. Die beiden teilten die Leidenschaft für die Kunst, malten oft zusammen und unterstützten sich gegenseitig. Auch Edma war eine talentierte Künstlerin. 1864 stellten beide zum ersten Mal im Pariser Salon aus.
Pariser Salon
Der Salon de Paris war die wichtigste offizielle Kunstausstellung in Frankreich und galt als das Forum, um als Künstler Anerkennung zu finden. Organisiert von der Académie des Beaux-Arts, zog der Salon sowohl etablierte Künstler als auch aufstrebende Talente an. Ein erfolgreiches Ausstellen im Salon bedeutete in der Regel großen beruflichen Erfolg und soziale Anerkennung. Die konservative Jury, die über die Zulassung von Werken entschied, bevorzugte jedoch traditionelle, akademische Kunststile.
Dass Berthe Morisot, mit nur 23 Jahren, gleich zwei ihrer Werke, "Verschneite Landschaft" und "Das Elternhaus in Passy", im Salon 1864 präsentieren durfte, war ein großer Erfolg. Die Teilnahme eröffnete ihr den Zugang zu einem breiteren Publikum und verschaffte ihr Anerkennung in den etablierten Kreisen der Kunstszene.
1869 heiratete Edma und entschied, das Malen aufzugeben, um sich ganz dem Familienleben zu widmen. Für Berthe bedeutete das den Verlust der künstlerischen Weggefährtin. Aufgrund der Anstandsregeln, denen junge Frauen in dieser Zeit unterlagen, blieben ihr, die nun ohne Begleitung unterwegs war, weitere Besuche im Louvre und auch Malexkursionen verwehrt. Sie zog sich in ihre Kunst zurück, und wandte sich von der akademischen Malerei ab. Mit der Zeit entwickelte sich ein neues künstlerisches Netzwerk, in dem insbesondere Édouard Manet eine wichtige Rolle spielte, den sie ein Jahr zuvor kennengelernt hatte.
Wahrscheinlich war der Bruch mit der traditionellen akademischen Malerei zugunsten einer freieren, experimentelleren Herangehensweise der Anlass, dass Morisot ihre früheren Werke zerstörte. Für uns heutige ein unfassbarer Verlust: Kaum ein Bild aus der Zeit vor 1869 ist erhalten geblieben.
Hinwendung zum Impressionismus
Berthe fing ganz von Vorne an. Einen großen Einfluss auf die neue Ausrichtung von Morisots Kunst, hatte Camille Corot. Sie hatten sich ebenfalls im Louvre kennengelernt und er ermutigte Morisot, in der Natur zu malen. Damit entfachte er ihre Leidenschaft für die Pleinair-Malerei (Freiluftmalerei), einem zentralen Element ihrer späteren impressionistischen Arbeiten. Auch die Begegnung mit Édouard Manet war ein Wendepunkt in Morisots künstlerischer Entwicklung. Während Manet selbst kein reiner Impressionist war, brachte er sie in Verbindung mit den Kreisen der aufstrebenden impressionistischen Bewegung.
Manet war fasziniert von Morisot und malte sie oft, etwa in Werken wie "Berthe Morisot mit Veilchenstrauß" (1872) oder "Le Repose" (1870). Ihre Freundschaft war von tiefer gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Manet war beeindruckt von Morisots Können und ihrer eigenständigen künstlerischen Vision. Sogar die hellere Farbigkeit seiner späteren Werke ist auf den Einfluss von Berthe zurückzuführen.
Sie sah in ihm einen außergewöhnlich talentierten Künstler und bewunderte seine Technik und seinen innovativen Umgang mit Farbe und Licht.
Hin und wieder versuchte Manet, sich als Lehrer Morisots aufzuspielen. Davon berichtete Berthe immer wieder in Briefen an ihre Schwester. Zwar inspirierte Manet sie als Vorreiter des modernen Stils, der die traditionellen Grenzen der Kunst herausforderte, doch als Lehrer hatte sie ihn nicht nötig. Das Spiel von Licht und Farbe setzte sie viel mutiger und konsequenter um als er.
Und sie entwickelte sich schnell weiter. Ihre Arbeiten wurden weniger formell und offener für die impressionistische Ästhetik. Lockere Pinselstriche, helle Farbpaletten und die Betonung von flüchtigen Momenten und Eindrücken prägten ihre unverwechselbare Bildsprache. In den frühen 1870er Jahren verschrieb sich Morisot vollständig dem Impressionismus.
Obwohl sie seit 1864 regelmäßig im Salon ausgestellt hatte, wandte sie sich von der Institution ab, deren starre, konservative Haltung des Salons nicht zu ihrer zunehmend modernen Arbeitsweise passte. Im Jahr 1874, bei der ersten Ausstellung der Impressionisten, war neben Künstlern wie Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Edgar Degas und Camille Pissarro auch Berthe Morisot vertreten. Bei der zweiten Ausstellung im folgenden Jahr erzielte sie sogar mit ihrem Gemälde "L'Intérieur" (siehe Titelbild) den höchsten Verkaufspreis. Ein enormer Erfolg!
Morisots Rolle in den Impressionistenausstellungen
Berthe Morisot war die einzige Frau, die sich von Anfang an zur Gruppe der Impressionisten bekannte. Bis auf eine Ausnahme trug sie zu allen Impressionismus-Ausstellungen Bilder bei. Im Jahr 1879 hatte sie etwas Besseres zu tun, da sie gerade ihre Tochter Julie geboren hatte. Im folgenden Jahr stellte sie allerdings erneut mit der Gruppe aus.
1886 fand die achte und letzte Impressionistenausstellung statt. Die Gruppe war zu diesem Zeitpunkt bereits gespalten, und einige der ursprünglichen Mitglieder, darunter Monet und Renoir, nahmen nicht mehr teil. Morisot war eine der wenigen, die sich weiterhin stark für die Gruppe einsetzte und die Ausstellung organisierte. Ihretwegen konnte die Ausstellung stattfinden und Werke von Künstlern wie Camille Pissarro und Paul Gauguin gezeigt werden. Eugène Manet, der jüngere Bruder von Édouard Manet, mit dem Morisot seit 1874 verheiratet war, unterstützte sie bei den organisatorischen Aufgaben.
Späte Jahre
Berthe Morisot setzte ihre Karriere als bedeutende Künstlerin fort. Nach dem Ende der Impressionistenausstellungen nahm sie an anderen wichtigen Ausstellungen in Paris teil, darunter auch wieder an den Salons und in verschiedenen privaten Galerien. Sie genoss mittlerweile breite Anerkennung für ihre Kunst, sowohl in Frankreich als auch international. Ihre Werke wurden nicht nur von Kritikern geschätzt, sondern auch von Sammlern gekauft. Paul Durand-Ruel, ein wichtiger Kunsthändler und Förderer der Impressionisten, spielte eine zentrale Rolle bei der Vermarktung ihrer Werke.
1892 starb ihr Ehemann Eugène. Der Verlust traf sie schwer; ihre Werke wurden zunehmend introspektiv und atmosphärisch. Drei Jahre später starb auch Berthe am 2. März 1895 im Alter von 54 Jahren an einer Lungenentzündung. Sie hatte sie sich bei der Pflege ihrer kranken Tochter Julie zugezogen.
In den Jahren nach ihrem Tod wurde Berthe Morisots Werk zwar von einigen Sammlern und Kunstkennern geschätzt, doch in der Öffentlichkeit geriet ihr Werk in Vergessenheit. Während Künstler wie Monet, Degas, Pissarro und Renoir als Hauptfiguren des Impressionismus immer prominenter wurden, blieb Morisot eher im Schatten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts verschwand sie fast vollständig aus dem öffentlichen Bewusstsein. Kunsthistorische Darstellungen des Impressionismus konzentrierten sich auf ihre männlichen Kollegen. Ihre Werke wurden selten in großen Ausstellungen gezeigt, obwohl sich viele ihrer Gemälde in den Depots bedeutender Sammlungen befanden.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Impressionismus eine Renaissance erfuhr, tauchte Morisots Name kaum auf. Kunsthistoriker widmeten sich auch in dieser neuen Welle vor allem den „großen Meistern“ des Impressionismus, während die Frauen der Bewegung marginalisiert wurden.
Wiederentdeckung
Ab den 1970er Jahren, mit dem Aufkommen der feministischen Kunstgeschichte, begann das Interesse an Künstlerinnen allgemein wieder zu wachsen. Forscherinnen und Forscher stellten zunehmend die Frage, warum so wenige Frauen in der Kunstgeschichte angemessen gewürdigt wurden, obwohl viele von ihnen bedeutende Beiträge geleistet hatten.
Ab den 1990er Jahren wurde auch Berthe Morisot allmählich der ihr zustehende prominente Platz in der Geschichte des Impressionismus eingeräumt. Ihre Werke wurden in großen internationalen Ausstellungen gezeigt, und es erschienen vermehrt Bücher und wissenschaftliche Arbeiten, die ihr Werk angemessen würdigten.
Ihr Name wird zunehmend im gleichen Atemzug wie Monet, Degas, Renoir und Pissarro genannt.
„Berthe Morisot war eine Frau, die, bei allem Anstand und aller Diskretion, durch und durch Revolutionärin war.“
- Paul Valéry
Aus dem Bild gerückt: Die Marginalisierung weiblicher Kunst
Wenn wir einen Blick auf die Kunstgeschichte werfen, ist diese eindeutig männlich. Künstlerinnen wie Berthe Morisot, Mary Cassatt, Artemisia Gentileschi, Rosa Bonheur und andere, die in ihrer Zeit erfolgreich waren, werden häufig als „Ausnahmen“ in einer männlich dominierten Kunstwelt dargestellt.
Die formellen und informellen Barrieren, die Frauen in den Weg gestellt wurden, verwehrten ihnen lange den Zugang zu Kunstakademien, Ausstellungen oder Netzwerken. Aktstudien galten für sie als unanständig und oft hatten sie nicht einmal die Möglichkeit, sich frei und ohne Anstandsdame im öffentlichen Raum zu bewegen.
Und dennoch erlangten viele Künstlerinnen zu Lebzeiten Anerkennung, wurden nach ihrem Tod oder im Laufe der Zeit jedoch aus der Kunstgeschichtsschreibung verdrängt. Werke von Frauen wurden in kunstgeschichtlichen Werken entweder männlichen Künstlern zugeschrieben, marginalisiert oder schlicht ignoriert.
Dieses systematische Vergessen oder Herunterspielen der Rolle von Frauen in der Kunst spiegelt die jeweiligen Sitten der Zeiten, die den Zugang zu Bildung, Kunstinstitutionen und öffentlichen Räumen beschränkten. Machtverhältnisse innerhalb der Kunstwelt – dominiert von männlichen Kuratoren, Sammlern und Kritikern – verstärkten diese Barrieren. Männer bestimmten, welche Kunst als bedeutend galt, wodurch die Werke von Frauen oft abgewertet oder übersehen wurden, selbst wenn sie in ihrer Zeit erfolgreich waren.
Bis heute sind Werke von Künstlerinnen seltener in großen Ausstellungen oder prestigeträchtigen Sammlungen vertreten. Auch auf dem Kunstmarkt erzielen sie oft niedrigere Preise als ihre männlichen Kollegen.
Die feministische Kunstgeschichtsschreibung hat begonnen, diese Lücken zu füllen.
Gemeinsam weiterdenken
Zum Abschluss möchte ich noch meiner lieben Freundin und Kollegin Nadine Achtelik danken, die mir Berthe Morisot als Thema für diesen Artikel vorschlug. Oft entstehen die besten Gedanken im Austausch, so war es auch hier.
Ich hoffe, dass Du beim Lesen vielleicht ebenso inspiriert wurdest und freue mich sehr, wenn Du Deine Gedanken, Fragen oder Anmerkungen unten in den Kommentaren mit mir teilst.
Wie nimmst Du Berthe Morisots Werk wahr? Was bewegt Dich an ihrer Geschichte?