März 22, 2023

Ich kannte das Gefühl, lange bevor ich wusste, dass es ein Wort dafür gibt. Das Gefühl, als gäbe man sich für jemanden aus, der man nicht ist. Es spielt keine Rolle, wie erfolgreich oder talentiert man ist - das Impostor-Syndrom ist wie das kleine Teufelchen, das auf deiner Schulter sitzt und dir einflüstert, nicht gut genug zu sein.

Man glaubt, beweisen zu müssen, dass man etwas zu bieten hat, dazugehört, hier richtig ist. Aber gleichzeitig ist man davon überzeugt, irgendwann enttarnt zu werden - als jämmerlicher "Fake", der nichts wirklich kann. Es ist ein Kampf gegen die eigenen Selbstzweifel. Sie halten sich hartnäckig und können einem Freude und Erfüllung an der eigenen Arbeit rauben. Sich dem entgegenzustellen, sich selbst erlauben zu wachsen, erfordert Mut und Entschlossenheit.

Der Feind in unserem Kopf: Was ist das Impostor-Syndrom?

Das englische Wort Imposter bedeutet Hochstapler. Und so fühlt es sich auch an. Wer betroffen ist, empfindet eine tiefgreifende Unsicherheit über das eigene Können. Das Hochstapler-Syndrom, wie es auch genannt wird, betrifft dabei oft gerade Menschen, die besonders erfolgreich und leistungsfähig sind. Ihre objektiven Erfolge schreiben sie allerdings nicht ihren eigenen Fähigkeiten zu, sondern glauben Zufall, Glück oder die Hilfe andere habe dazu geführt. Fehlschläge kreiden sie aber immer sich selbst und den "eigenen Unzulänglichkeiten" an.

Diese tief sitzenden Selbstzweifel betreffen oft den beruflichen Erfolg oder die akademischen Leistungen, aber auch persönliche Beziehungen und das Wohlbefinden können darunter leiden. Die ständige Gefahr "entlarvt" zu werden ist sehr belastend.

Merkmale des Hochstapler-Syndroms:

  • Fehlendes Selbstbewusstsein
  • Unfähigkeit, Komplimente anzunehmen
  • Ständige Selbstzweifel
  • Prokrastination
  • Selbstsabotage
  • Fehlende Selbstakzeptanz
  • Negative Glaubenssätze
  • Perfektionismus  
  • Überkompensation 
  • Zuerst beschrieben wurde das Phänomen 1978 von Dr. Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes. Die beiden Psychologinnen gingen zunächst noch davon aus, das Syndrom beträfe vor allem erfolgreiche Frauen, die glaubten, ihre Leistungen würden überschätzt. Heute weiß man, dass das Impostor-Syndrom Frauen und Männer gleichermaßen betrifft und sich nicht auf berufliche Situationen beschränkt. Auch Elternschaft, Beziehungen und alle Bereiche, in denen wir den - manchmal auch nur vermeintlichen - Erwartungen anderer genügen möchten, können betroffen sein. Künstlerinnen und Künstler sind gezwungen, sich ständig neuen Herausforderungen zu stellen und ihre Arbeit öffentlich zu präsentieren, das macht sie besonders anfällig für das Impostor-Syndrom.

    Warum ich mich manchmal wie eine Hochstaplerin fühle: Eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Impostor-Syndrom

    Ich hatte schon immer ein schlechtes Verhältnis zu meinen eigenen Leistungen. Ich weiß, es ist leicht, immer alles auf die Kindheit zu schieben. Aber es ist mir wichtig, die Wurzeln meines Selbstzweifels zu verstehen. Als Kind wurde ich nie gelobt, wenn ich etwas gut gemacht hatte. Andererseits bekam ich immer wieder mit, dass meine Mutter vor ihren Kolleginnen oder Freundinnen mit meinen schulischen Leistungen prahlte. Nur waren sie nie mein Verdienst, sondern ihrer - ihre Gene, ihre Erziehung usw. Wenn etwas jedoch schiefging, war es immer meine Schuld. Ich hätte mehr lernen, mich mehr anstrengen oder aufmerksamer sein sollen.

    Es ist daher wohl kaum überraschend, dass ich meine Leistungen und meine Erfolge nie zusammenbringen konnte. Gelang mir etwas, hatte ich das Gefühl, ich sei nur knapp einer Katastrophe entkommen und hatte lediglich Glück gehabt. Ständig musste ich mich daran erinnern, dass mein "natürliches Versagen" nicht die Oberhand gewann.

    Manchmal frage ich mich, wie viel einfacher es wäre, wenn ich stolz auf mich sein könnte und meine Erfolge anerkennen würde, ohne sie sofort zu relativieren oder abzuschwächen. Es ist ein täglicher Kampf, mich nicht von meinen eigenen Zweifeln lähmen zu lassen. 

    Es war schon schwer, als ich noch in meinem kaufmännischen Beruf gearbeitet habe. Richtig schlimm wurde es, als ich mich entschloss, als professionelle Künstlerin zu arbeiten. Bin ich überhaupt gut genug? Was habe ich in der Kunstwelt eigentlich zu suchen - und was ihr zu bieten? Werden nicht alle erkennen, dass ich nur eine Hobby-Malerin mit mäßigem Talent bin? Auf der anderen Seite aber gibt mir die Kunst so viel innere Ruhe und Sicherheit, dass es gar keine Zweifel gibt, dass ich Kunst schaffen muss, dass ich Künstlerin bin.

    Zwischen diesen Gefühlen pendel ich hin und her - den Zweifeln, ob ich überhaupt berechtigt bin einen Platz in der Kunstwelt zu beanspruchen und der Sicherheit, dass ich bin - und nur sein kann - was ich bin: eine Künstlerin.

    Inzwischen werden die Zweifel weniger. Ich bekomme Bestätigung von außen, das ist schön, aber nicht der Grund. Wenn ich an meiner Arbeit zweifle, überprüfe ich heute, ob es einen objektiven Grund dafür gibt. Ich will ja nicht in Selbstzufriedenheit verharren, sondern mich neuen Herausforderungen stellen. Ich will weiter an mir arbeiten und mich verbessern.

    Aber manchmal sind die Fragen, die ich mir stelle, eben nicht begründet. Es ist das alte kleine Teufelchen, dass auf meiner Schulter hockt und mit einredet nicht gut genug zu sein. Nur kenne ich heute nicht nur das Wort, ich weiß auch, was das Imposter-Syndrom ist und was es mit mir macht. Das allein hilft schon ein bisschen.

    Auf der Suche nach Anerkennung: Die Wurzeln des Hochstapler-Syndroms

    Tatsächlich liegen die Ursachen für das Hochstapler-Syndrom häufig in der Kindheit. Das kann, wie bei mir, an mangelndem Lob und Anerkennung liegen, aber auch an einer zu hohen Erwartungshaltung der Eltern. Wenn immer nur noch bessere Leistungen gefordert werden, entwickeln Kinder das Gefühl nie genügen zu können. Andererseits kann aber auch zu viel Lob zum Impostor-Syndrom führen. Kindern, denen vermittelt wurde, sie könnten absolut alles erreichen, neigen manchmal dazu zu glauben, sie müssten auch alles erreichen. Klappt dann im Leben nicht alles reibungslos - was ja zwangsläufig mal vorkommt - glauben sie versagt zu haben.

    Ob sich aus solchen Erfahrungen das Impostor-Syndrom entwickelt und wie ausgeprägt es ist, das hat viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun. Ein geringes Selbstwertgefühl oder die Neigung zum Perfektionismus führen zu Versagensängsten und begünstigen das Hochstapler-Syndrom. Auch äußerliche Lebensumstände können eine Rolle spielen. Studierende aus nicht akademischen Familien z.B. fragen sich viel häufiger, ob sie an der Uni richtig sind, als Akademikerkinder. Wenn man in einem Umfeld mit hohem Leistungsdruck arbeitet, kann auch das eine Rolle spielen. Es kann sogar "gefährlich" sein, ein Naturtalent zu sein. Wenn man immer wieder sieht, wie andere sich abschuften müssen, für das, was einem selbst zufliegt, kann man sich wie ein Betrüger vorkommen.

    Gibt es auch das umgekehrte Hochstapler-Syndrom?

    Ja, das gibt es tatsächlich. Es nennt sich Dunning-Kruger-Effekt. Während Menschen mit dem Imposter-Syndrom dazu neigen, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen zu unterschätzen und sich ihrer eigenen Grenzen und Wissenslücken bewusst sind, tendieren Menschen mit dem Dunning-Kruger-Effekt dazu, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen zu überschätzen. Sie halten sich selbst (auch unberechtigterweise) für begabt und talentiert, während sie die Leistungen ihres Umfeldes herabsetzen.

    Fake it until you make it? Nein, danke! 5 Tipps gegen das Impostor-Syndrom

    Egal, wie stark ausgeprägt das Hochstapler-Syndrom ist - auf Dauer macht es unglücklich. Aber man kann etwas dagegen tun. Ich habe 5 Tipps zusammengetragen, die mir helfen, wenn ich wieder an mir selbst zweifle:

    1. Akzeptanz: Mir hat es sehr geholfen zu akzeptieren, dass mich das Impostor-Syndrom immer wieder mal beißt. Ich ignoriere meine Gefühle nicht, ich nehme sie heute bewusst an und erlaube mir auch, mich schlecht zu fühlen. Und dann hinterfrage ich, gibt es einen Grund? Wenn ja, was kann ich ändern? Wenn nicht, lasse ich das Gefühl ziehen. Auch sich selbst zu akzeptieren, kann eine Herausforderung sein, die man aber meistern muss. Mir hilft, wenn ich mir ab und an etwas Gutes tue oder mit einer Affirmation in Erinnerung rufe, dass ich genug bin.
    2. Ich bin nicht allein: Viele erfolgreiche Menschen haben mit dem Syndrom zu kämpfen und fühlen sich manchmal wie Betrüger. Darunter z.B. Tom Hanks, Kate Winslet, Ryan Reynolds, Meryl Streep und Emma Watson. Da bin ich doch in guter Gesellschaft! Aber es sind natürlich nicht nur berühmte Menschen in dieser Gruppe. Wenn man erst einmal anfängt offen mit dem Thema umzugehen, merkt man schnell, dass auch Familie, Freunde, Bekannte betroffen sind. Bei mir ist es vor allem eine liebe Freundin, mit der ich darüber rede. Es hilft, sich auszutauschen. Das schafft ein Gefühl der Gemeinschaft und des Verständnisses.
    3. Über Erfolg freuen: Wenn Zweifel in mir aufsteigen, bestätige ich mir, dass ich meine Erfolge erarbeitet habe. Da ist kein Fehler unterlaufen! Ich habe es wirklich verdient. Die eigenen Erfolge überhaupt zu sehen, ist sehr wichtig. Auch die kleinen. Ich lese häufig den Tipp, man solle ein Erfolgs-Jounal führen. Ich kann mir vorstellen, dass das sehr hilfreich ist. Trotzdem mache ich selbst es nicht. Aber ich führe einen Kalender. Dort trage ich alle meine Aufgaben und Termine ein. Nicht nur, um sie nicht zu vergessen. An Tagen, an denen ich wieder das Gefühl habe, nichts erreicht zu haben, kann ich sehe, was alles ich geschafft habe.
    4. Nicht vergleichen. Es ist verlockend, sich mit anderen zu vergleichen. Das tue ich nicht mehr. Na ja, ich will ehrlich sein. Ich versuche, es nicht zu tun. Und sehr oft gelingt mir das auch. Natürlich schaue ich, was andere Künstlerinnen so arbeiten, ausstellen, erreichen. Ich freue mich für sie über ihre Erfolge, lasse mich auch inspirieren. Ja, und manchmal kommt dann auch ein Gefühl auf, dass ich versage, wo sie brillieren. Aber sobald mir das bewusst wird, lasse ich es nicht länger zu.
    5. Niemand ist perfekt. Der Hang zum Perfektionismus gehörte noch nie zu meinen Lastern. Trotzdem kenne ich die "Angst vor der leeren Leinwand". Zu Beginn meiner Künstlerlaufbahn hatte ich oft Angst, meine Kunstmaterialien zu verschwenden. Was, wenn ich Mist bauen würde, wenn das Kunstwerk nichts werden würde? Dann hätte ich die Materialien versaut. Heute lebe ich nach dem Motto: Farbe ist nur verschwendet, wenn sie in der Tube bleibt. Man muss sich mögliche Fehler auch erlauben.

    Extra Tipp

    Du leidest auch unter dem Impostor-Syndrom und diese Tipps helfen dir nicht? Vielleicht schaffst du es noch nicht, die negativen Denkmuster zu durchbrechen. Dann versuche es doch einfach umgekehrt. Weise nach, dass du ein Betrüger bist. Suche nach Beweisen, keine Meinung, sondern unwiderlegbaren Beweise, dass du nicht verdienst, was du erreichst. Sehr wahrscheinlich wirst du das nicht können. Ganz einfach, weil du deine Erfolge eben doch verdienst. Vielleicht glaubst du es ja dann.


    Sei deine eigene Heldin: Befreie dich von deinem inneren Kritiker

    Hast du dich in einigen der Beschreibungen wiedererkannt?  Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es sein kann, sich anderen gegenüber zu öffnen und über seine Ängste und Unsicherheiten zu sprechen. Aber lass mich dir sagen: Du bist nicht allein! Fast jeder macht im Laufe seines Lebens wenigstens einmal diese Erfahrung. Doch das Imposter-Syndrom kann uns davon abhalten, unsere Ziele zu erreichen und unsere Träume zu verfolgen. Wir müssen lernen, uns selbst zu vertrauen. Wir müssen an uns und unsere Fähigkeiten glauben.

    Oft hilft es schon, einfach darüber zu sprechen. Deshalb möchte ich dich ermutigen, dich in den Kommentaren zu Wort zu melden und deine Erfahrungen zu teilen. Vielleicht hast du Tipps und Tricks, die anderen helfen könnten, oder möchtest einfach nur deine Gedanken und Gefühle teilen. Jeder Beitrag zählt und kann anderen dabei helfen, sich weniger allein zu fühlen.

    Also, trau dich!

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    About the Author Lea Finke

    Lea Finke ist Künstlerin mit ganzer Seele. In ihrem Blog erzählt sie von Inspiration, Leidenschaft und der Begegnung mit Kunst.

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