März 19, 2025

Die Kunstgeschichte ist voller großer Namen – die meisten davon sind männlich. Künstlerinnen wurden über Jahrhunderte übersehen, schlicht ignoriert oder ihre Werke sogar männlichen Kollegen zugeschrieben. Auch heute noch sind sie in Museen und Lehrbüchern unterrepräsentiert. Dabei gab und gibt es so viele talentierte Frauen, die Großartiges geschaffen haben.

Zum Glück ändert sich das langsam: Künstlerinnen werden wiederentdeckt, ihre Werke neu bewertet. In diesem Artikel möchte ich fünf beeindruckende Frauen vorstellen, die lange im Schatten standen, aber definitiv mehr Aufmerksamkeit verdienen.
Naturgemäß kann das nur eine kleine Auswahl sein. Es gibt sehr viel mehr Frauen in der Kunst, die unterschätzt und nicht ausreichend gewürdigt werden.

Judith Leyster (1609–1660) – Die Frau im Schatten von Frans Hals

Judith Leyster war eine der wenigen erfolgreichen Malerinnen des niederländischen Goldenen Zeitalters. Sie spezialisierte sich auf Porträts, Genreszenen und Stillleben und schaffte es sogar, als Künstlerin eine eigene Werkstatt zu führen.

Ihr Malstil war lebendig, expressiv und oft humorvoll, mit einer lockeren Pinselführung. Besonders oft malte sie Szenen mit Musikanten, spielenden Kindern oder geselligen Runden. Nach ihrem Tod wurden viele ihrer Werke entweder anonymisiert oder fälschlicherweise männlichen Künstlern zugeschrieben – allen voran Frans Hals, der einen ähnlichen Stil hatte.

Erst im 19. Jahrhundert entdeckten Kunsthistoriker, dass einige seiner vermeintlichen Werke in Wirklichkeit von ihr stammten. Andere ihrer Werke wurden lange auch Rembrandt oder den Utrecht Caravaggisti zugeschrieben. Wie sie spielte auch Leyster in ihren Gemälden oft mit Licht und Schatten. Die starken Kontraste, die sich an Caravaggios dramatischer Lichtführung orientierten, waren in den 1630er Jahren sehr beliebt.

Ein Beispiel für diese Malweise ist Leysters Gemälde: Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld aus dem Jahr 1631. Es zeigt eine Frau, die konzentriert bei Kerzenlicht an ihrer Handarbeit sitzt, während ein Mann ihr Geld anbietet. Anders als viele Zeitgenossen, die ähnliche Szenen malten, verzichtet Leyster auf eine romantische oder frivole Deutung. Stattdessen wird das Bild oft als Kommentar zur finanziellen Abhängigkeit von Frauen und zur sozialen Realität ihrer Zeit interpretiert.

Judith Leyster, Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld, 1631 | Mauritshuis Den Haag

Rosa Bonheur (1822–1899) – Die Tiermalerin mit Hosen und Hingabe

Rosa Bonheur war eine französische Malerin und Bildhauerin des 19. Jahrhunderts, bekannt für ihre realistischen Darstellungen von Tieren. Sie schaffte es, sich in der männerdominierten Kunstwelt durchzusetzen und wurde zu einer der bekanntesten Künstlerinnen ihrer Zeit.

Doch obwohl Bonheur zu Lebzeiten große Erfolge feierte, wurde sie von der Kunstgeschichte später lange übergangen. Tiermalerei galt nicht als „hohe Kunst“, doch das war nicht das Hauptproblem. Sie war eine Frau – und sie war unkonventionell. Sie lebte offen mit ihrer Partnerin zusammen und führte ein unabhängiges Leben.

Für ihre Studien besuchte sie regelmäßig Viehmärkte, Schlachthöfe und ländliche Gegenden. Dabei trug sie Hosen – ein Skandal für eine Frau im 19. Jahrhundert. Das war ihr nicht einfach erlaubt, sie musste sich das offiziell genehmigen lassen – und die Erlaubnis gut sichtbar an ihrer Kleidung tragen. Doch selbst das schützte sie nicht vor Anfeindungen.

Ihre Werke zeichnen sich durch akribische Detailgenauigkeit, eine dynamische Komposition und ein tiefes Verständnis für Anatomie aus. Besonders bekannt wurde sie für großformatige Gemälde von Pferden, Rindern und Schafen. Der Pferdemarkt (Le Marché aux chevaux, 1852–1855) ist eines ihrer beeindruckendsten Werke.

Das monumentale Gemälde (über 5 Meter breit) zeigt Pferdehändler, die prächtige Tiere auf einem Markt in Paris präsentieren. Die Energie, Bewegung und anatomische Präzision des Bildes sind meisterhaft. Bonheur verbrachte Monate damit, Pferdemärkte zu besuchen und Skizzen anzufertigen, um die Tiere in ihrem natürlichen Verhalten zu studieren.

Rose Bonheur, Der Pferdemarkt, 1852-55, The MET New York

Suzanne Valadon (1865–1938) – Vom Modell zur Künstlerin

Die französische Malerin Suzanne Valadon war die erste Frau, die in die Société Nationale des Beaux-Arts aufgenommen wurde. Bevor sie selbst zur Künstlerin wurde, arbeitete sie als Modell für Renoir, Toulouse-Lautrec und andere Maler des Pariser Bohème-Milieus. Doch sie beobachtete genau, eignete sich künstlerische Techniken an und begann schließlich selbst zu malen – ohne akademische Ausbildung, aber mit umso mehr Entschlossenheit.

Valadon entwickelte einen markanten, kraftvollen Stil mit kräftigen Farben, klaren Konturen und einer expressiven Pinselführung. Ihre Porträts und Aktdarstellungen sind eindringlich und ungeschönt. Die Frauen in ihren Bildern sind keine idealisierten Objekte, sondern eigenständige Persönlichkeiten mit natürlicher Körperlichkeit, Selbstbewusstsein und starkem Ausdruck.

Obwohl sie in Künstlerkreisen anerkannt war, wurde Valadon lange Zeit eher als Exzentrikerin denn als ernsthafte Künstlerin wahrgenommen. Ihr unkonventioneller Lebensstil passte nicht in das traditionelle Bild einer „respektablen“ Frau: Sie war alleinerziehende Mutter, hatte Affären mit jüngeren Männern und lebte unabhängig.

Eines ihrer bekanntesten Werke ist Das blaue Zimmer (La Chambre bleue, 1923). Es wird oft als bewusste Antwort auf Édouard Manets Olympia (1863) interpretiert. Während Manet eine nackte Frau zeigt, die den Betrachter mit selbstbewusstem Blick direkt anschaut, stellt Valadon in Das blaue Zimmer eine vollständig bekleidete Frau dar, die entspannt im Bett liegt, raucht und scheinbar in Gedanken versunken ist.

Beide Gemälde hinterfragen traditionelle Darstellungen des weiblichen Körpers, jedoch auf unterschiedliche Weise:
Manet bricht mit der idealisierten Nacktheit der akademischen Kunst und zeigt eine Frau, die sich der Betrachtung bewusst ist. Valadon hingegen dreht das Konzept weiter – ihre Frau ist weder Objekt noch Muse, sondern eine unabhängige Persönlichkeit, die sich nicht um den Blick des Betrachters schert. 

Suzanne Valadon, Das blaue Zimmer 1923 | Centre Pompidou Paris

Loïs Mailou Jones (1905–1998) – Ausdruck Schwarzer Identität

Loïs Mailou Jones war eine afroamerikanische Malerin, Designerin und Kunstprofessorin, die über sieben Jahrzehnte hinweg eine bedeutende Rolle in der Kunstwelt spielte. Sie war eine der wenigen schwarzen Künstlerinnen ihrer Zeit, die internationale Anerkennung fanden. 

Jones begann als Textildesignerin, bevor sie sich der Malerei zuwandte. Ihr Stil entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte weiter: Während sie in den 1930er Jahren impressionistisch arbeitete, wandte sie sich später kräftigen Farben, geometrischen Mustern und afrikanischen Symbolen zu. Ihre Arbeiten verbinden afrikanische, karibische und westliche Einflüsse.

Als schwarze Frau in der amerikanischen Kunstszene des frühen 20. Jahrhunderts war es für sie fast unmöglich, auszustellen. Museen und Galerien akzeptierten kaum Werke schwarzer Künstler, und Wettbewerbe waren oft nur für weiße Teilnehmer zugänglich. Erst als sie nach Paris ging, konnte sie ohne die rassistischen Barrieren der USA arbeiten und Anerkennung für ihre Kunst finden. Obwohl sie zahlreiche Preise gewann und viele Jahre als Professorin an der Howard University lehrte, wurde sie in der amerikanischen Kunstgeschichte lange vernachlässigt.

Eines ihrer bekanntesten Werke ist Les Fétiches (1938). Es zeigt fünf afrikanische Masken in kräftigen Farben und starken Kontrasten. Dieses Gemälde verbindet afrikanische Kunst mit modernen westlichen Maltechniken und ist ein frühes Beispiel für Jones’ Beschäftigung mit dem kulturellen Erbe der afrikanischen Diaspora. Es war ein wichtiger Beitrag zur Harlem-Renaissance und zur Diskussion um Schwarze Identität in der Kunst. In diesem Werk setzt sich Jones erstmals bewusst mit dem afrikanischen Erbe auseinander – ein Thema, das später zu einem zentralen Bestandteil ihrer Kunst wurde.

Loïs Mailou Jones, Les Fétiches, 1938, Smithsonian American Art Museum Washington DC

Titelbild: Loïs Mailou Jones, Jardin du Luxembourg, 1948 | Smithsonian American Art Museum Washington

Tarsila do Amaral (1886–1973) – Mutter der brasilianischen Moderne

Tarsila do Amaral war eine der einflussreichsten Künstlerinnen Brasiliens und eine zentrale Figur der brasilianischen Moderne. Sie gilt als Mitbegründerin der „Antropofagia“-Bewegung, die europäische Kunstströmungen aufgriff, aber bewusst mit brasilianischen Elementen verschmolz. Ihr Ziel war es, eine eigenständige brasilianische Kunst zu schaffen, die nicht bloß westliche Vorbilder nachahmte, sondern die kulturelle Identität des Landes widerspiegelte.

Do Amaral verband kubistische Einflüsse mit brasilianischen Themen und lebhaften Farben. Ihre Werke zeigen oft tropische Landschaften, ländliche Szenen und indigene Motive, kombiniert mit geometrischen Formen und einer starken Vereinfachung der Figuren. Sie brachte die europäische Avantgarde – insbesondere den Kubismus – in einen neuen, südamerikanischen Kontext.

Obwohl sie eine Schlüsselfigur der brasilianischen Moderne war, blieb ihr Name lange im Schatten männlicher Künstler. Bei der „Semana de Arte Moderna“ (der Woche der Modernen Kunst von 1922) wurde sie nur am Rande erwähnt, während ihre männlichen Zeitgenossen wie Oswald de Andrade und Emiliano Di Cavalcanti mehr Aufmerksamkeit erhielten. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde ihr Beitrag zur Kunstgeschichte stärker gewürdigt, und ihre Werke erzielen heute Höchstpreise auf dem Kunstmarkt.

Ihr bekanntestes Werk ist Abaporu (1928), das zu einer Ikone der brasilianischen Kunst wurde. Das Gemälde zeigt eine überproportional große, sitzende Figur mit winzigem Kopf und riesigen Füßen vor einer kargen Landschaft. Der Titel Abaporu stammt aus der indigenen Tupi-Guarani-Sprache und bedeutet „Mensch, der Menschen isst“. Er verweist auf das Konzept der Antropofagia („kultureller Kannibalismus“), eine von Oswald de Andrade (ihrem Lebensgefährten) formulierte künstlerische und intellektuelle Bewegung, die westliche Einflüsse bewusst „verschlingen“ und daraus eine eigenständige brasilianische Kultur erschaffen wollte. Tarsila do Amaral malte dieses Bild als Geschenk für Andrade, ohne zu ahnen, dass es zur visuellen Verkörperung der gesamten Bewegung werden würde.

Tarsila do Amaral, Abaporu, 1928 | Museo de Arte Latinoamericano de Buenos Aires (MALBA)

Warum diese (und andere) Künstlerinnen nicht vergessen werden sollten

Die Kunstgeschichte wurde lange von Männern dominiert – nicht, weil es keine talentierten Künstlerinnen gab, sondern weil sie übersehen, marginalisiert oder aus Erzählungen gestrichen wurden. Ihre Werke wurden männlichen Kollegen zugeschrieben, ihre Namen gerieten in Vergessenheit oder sie wurden gar nicht erst ernst genommen. Doch das ändert sich langsam.

Judith Leyster, Rosa Bonheur, Suzanne Valadon, Loïs Mailou Jones und Tarsila do Amaral haben jede auf ihre Weise Grenzen verschoben und sich gegen Widerstände durchgesetzt. Heute werden sie wiederentdeckt, ausgestellt und neu bewertet. Aber wie viele andere Künstlerinnen warten noch darauf, aus dem Schatten der Vergangenheit hervorzutreten?

Dieser Artikel kann nur ein kleiner Einblick sein – die Liste der Frauen, die die Kunstgeschichte mitgeprägt haben, ist lang. Welche Künstlerinnen sollten deiner Meinung nach mehr Aufmerksamkeit bekommen?

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About the Author Lea Finke

Lea Finke ist Künstlerin mit ganzer Seele. In ihrem Blog erzählt sie von Inspiration, Leidenschaft und der Begegnung mit Kunst.

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