Ich komme gerade von einem Waldspaziergang zurück. Die Luft ist kühl, und die Blätter färben sich in warmen Gelb- und Rottönen. Das ist jedes Jahr ein vertrauter Anblick, der doch immer wieder neu und anders ist. Ich liebe den Herbst! Warm eingemummelt lässt es sich noch sehr gut draußen aufhalten. Noch sind die Bäume nicht kahl und bieten im Wald ein ganz besonderes Schauspiel.
Aber der Wald ist für mich zu jeder Jahreszeit Rückzugsort und Inspirationsquelle. Der Wechsel der Farben, Formen, der Gerüche und des Lichts fasziniert mich. Das ist schon zu unterschiedlichen Tageszeiten so. Erst recht im Laufe des Jahres. Dieser ständige Wandel schenkt mir Ideen, die ich in meiner Kunst umzusetzen versuche.
Farben, Formen und Texturen: Die Natur als ewige Muse
Wenn ich feststecke, wenn sich meine Gedanken im Kreis drehen oder mir der Kopf voll ist, gehe ich in den Wald. Nur ein paar Schritte und ich spüre eine Veränderung. Die Geräusche außerhalb werden gedämpft, Vogelgezwitscher oder das Rauschen des Windes übernehmen die Geräuschkulisse. Und darunter liegt eine wohltuende Stille.
Der Wald inspiriert mich dazu, genauer hinzusehen, feine Unterschiede wahrzunehmen. Den ständigen Wandel im Wald übersetze ich in meine eigene Bildsprache. So fließt der Rhythmus der Natur fast unbemerkt in meine Arbeit ein.
Der Frühling küsste sanft die Bäume,
und frisches Grün stieg auf wie grüner Rauch.
- Antonio Machado | Der Frühling küsste
Im Frühling, wenn die ersten Knospen aufbrechen und die Farben noch sanft und frisch sind, fühlt sich alles leicht an, fast flüchtig. Diese Zartheit nehme ich dann mit in mein Atelier. Meine Pinselstriche werden weicher, die Farben heller, manchmal fast durchscheinend. Es ist, als ob auch in mir neue Ideen aufkeimen, ganz vorsichtig, wie frische Triebe. Ich versuche, das Gefühl von Neubeginn und Hoffnung festzuhalten, ohne zu viel vorwegzunehmen - eher wie eine Ahnung von dem, was noch kommt.
Im Sommer, wenn das Grün kräftiger wird und der Wald ein dichtes Dach aus Blättern bildet, spielt das Licht mit den Schatten. Wie ein Puzzle aus Lichtflecken, das sich ständig verändert. Ich mag diesen Wechsel zwischen Tiefe und Lebendigkeit, und oft finde ich dann, dass auch meine Kunst mehr Schichten, mehr Texturen braucht. Formen und Linien werden kraftvoller, Details treten hervor und verschmelzen gleichzeitig mit der Umgebung. Der Balanceakt zwischen intensiven Farben und zurückhaltender Schlichtheit ist jedes Mal wieder spannend für mich.
Dann die Farbexplosion im Herbst. Das Laub in leuchtendem Rot, Orange und Gelb erinnert daran, dass auch Vergehen wunderschön sein kann. Die Farben inspirieren mich, mehr zu wagen und Kontraste ganz bewusst einzusetzen. Veränderung muss nicht immer sanft oder leise sein! Die Farben dürfen knallen, die Formen auffallen. Dabei entstehen Werke, die diese Mischung aus Leichtigkeit und Schwere des Herbstes widerspiegeln.
Der Winter ist die Zeit der Reduktion. Wenn alles in Grautönen und kaltem Weiß erstrahlt, entdecke ich die Schönheit im Einfachen neu. Das wirkt auf mich wie ein Reset – der klare Kontrast von Licht und Schatten schärft meinen Blick für das Wesentliche. In dieser Ruhe finde ich Raum für minimalistische Kompositionen, die auf das Unausgesprochene setzen, die leisen Töne.
Auftanken zwischen Bäumen
Ich gehe ohne ein bestimmtes Ziel in den Wald. Die Natur nimmt mir das Gefühl, alles kontrollieren zu müssen – und genau das öffnet für mich die Tür zu kreativen Impulsen. Im Wald darf alles sein, wie es ist – das Unperfekte, das Wilde, das Zufällige. Die Bäume sind still und geduldig. Das liebe ich und es inspiriert mich, in meiner Kunst auch loszulassen, intuitiv zu sein und intuitiv zu arbeiten.
Diese Pausen im Grünen geben mir nicht nur neue Ideen, sondern laden auch meine kreativen Batterien wieder auf. Wenn ich zwischen den Bäumen stehe und die alles überdeckende Ruhe spüre, merke ich oft erst, wie dringend ich das nötig hatte. Die Hektik fällt von mir ab, und ich merke, wie ich langsam wieder zu mir selbst finde. Und so ergibt es sich manchmal ganz von selbst, dass sich aus dieser Ruhe eine neue Perspektive, ein Gedanke oder eine Bildidee formt.
Dann kann ich voller Kraft ins Atelier zurückkehren und wirklich präsent sein – für meine Kunst und für mich selbst.
Impressionen von meinem Spaziergang
Durch die Augen der Natur – Künstler und ihre Landschaften
Viele Künstler:innen schöpfen ihre Kreativität aus der Natur - in all ihren Facetten. Für mich ist es der Wald, weil ich nur ein paar Straßen überqueren muss, um im Wald zu sein. Aber es gibt so viele Landschaftsformen. Sie alle haben über die Jahrhunderte hinweg Künstler inspiriert.
Für Claude Monet war sein Garten in Giverny, allem voran sein Seerosenteich, eine unerschöpfliche Quelle für seine Malerei. Dort verbrachte er Stunden, studierte das Licht und fing die Veränderungen der Farben im Wasser ein. Vincent van Gogh tauchte regelrecht in die Landschaft ein, wenn er malte. Als er in Südfrankreich lebte, ging er täglich hinaus und malte die Olivenhaine, Zypressen und das leuchtende Gelb der Sonnenblumenfelder. Die Energie spürt man heute noch in jedem Pinselstrich.
Bei Georgia O’Keeffe waren es Blumen, die sie zu ihren monumentalen Werken inspirierten und später die Weite der Wüstenlandschaft von New Mexico und die Ursprünglichkeit der Natur dort, mit ihren klaren Formen und intensiven Farben. Sie sagte einmal, die Wüste sei der Ort, an dem sie wirklich zu sich selbst gefunden habe.
Wo ist dein Kraftort?
Vielleicht ist es genau das, was Kunst und Natur gemeinsam haben – sie lassen uns Dinge neu sehen, schenken uns Ruhe oder bringen frische Energie. Und jeder erlebt das anders. Ob man Ruhe zwischen alten Bäumen findet, am Meer oder auf einem weiten Feld - jeder von uns hat seine ganz eigene Art, die Natur zu erleben.
Ich bin neugierig: Wo bekommst du den Kopf frei? Hast du einen Lieblingsplatz in der Natur, der dir Kraft gibt? Schreib mir gern, ich freue mich auf deine Geschichten und Gedanken!