Früher war Material für mich vor allem eines: knapp. Kunst war ein Hobby und mein Budget war begrenzt. Neue Farben, Papier oder Leinwände konnte ich mir nur selten leisten. Und weil das so war, wurde jedes Blatt, jede Tube zu etwas Kostbarem.
Die abgezählte Menge an Blättern eines Aquarellblocks hemmte mich. Was, wenn ich es versaute?
Diese ständige Angst davor, etwas falsch zu machen und damit meinen kleinen Vorrat zu verschwenden, war enorm. Also ließ ich es oft ganz.
Es brauchte eine Weile, um diese Blockade zu lösen. Eine Zeit lang musste ich regelrecht in Material schwelgen, um die Angst davor zu verlieren. Kunst verbraucht nun mal Ressourcen.
Aber diese sind endlich. Und Nachhaltigkeit ist mir ein wichtiges Anliegen, das auch in meiner Kunst eine Rolle spielt – inhaltlich und im Prozess.
Heute versuche ich, achtsam mit meinen Materialien umzugehen, ohne mich wieder in dieser alten Starre zu verlieren. Ich will arbeiten dürfen, ausprobieren, scheitern – ohne jeden Schritt zu hinterfragen. Aber ich will auch nicht so tun, als gäbe es keinen Widerspruch.
Was ist eigentlich Verschwendung?
Wenn Papier jahrelang im Regal liegt, aus Angst, es „falsch“ zu verwenden, ist es dann wirklich bewahrt worden?
Heute denke ich, unbenutztes Material ist vielleicht die größere Verschwendung.
Künstlerischer Ausdruck braucht eine gewisse Großzügigkeit. Nicht jedes Bild muss gelingen. Der erste Strich muss nicht perfekt sein, um berechtigt zu sein. Scheitern ist Teil des Prozesses. Manchmal entsteht erst aus dem, was daneben geht, etwas Einzigartiges.
Trotzdem muss Kreativität nicht immer mit einer Materialschlacht einhergehen. Es geht nicht um ganz oder gar nicht. Und vor allem geht es nicht um Masse.
Es ist ein Spagat. Blockaden schleichen sich so schnell ein, wenn man erst einmal anfängt darüber nachzudenken, was „erlaubt“ ist. Das ist gefährlich. Für den Prozess, für das, was entstehen könnte, wenn man sich einfach traut.
Doch wenn man nur einen Funken Verantwortungsbewusstsein für unsere Umwelt hat, kann man auch nicht einfach so in den Tag hinein leben. Ich will nicht verschwenderisch arbeiten. Aber ich will mich auch nicht selbst zensieren. Wie löse ich dieses Dilemma für mich auf?
Material ist nicht neutral
Mit der Zeit habe ich einiges in meinem Atelier angepasst. Erst waren es nur kleine Schritte. Ein paar Basics, damit der Ablauf in meinem Atelier ein bisschen nachhaltiger ist. Aber je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, umso mehr fange ich an in größeren Dimensionen zu denken.
Vielleicht fing es an, als ich Steinpapier für meine Kunst entdeckte. Ich liebe Papier. Die Haptik, die Sinnlichkeit! Aber die Papierherstellung verbraucht Unmengen an Wasser. Und das ist nicht das einzige Problem. Besteht der Zellstoff aus Holz, woher stammt es, werden Bleichmittel und Chemikalien eingesetzt, wie viel Energie wird verbraucht?
Ich habe meine Kunst nicht vollständig auf Steinpapier umgestellt. Dazu ist es zu speziell und nicht für alles geeignet. Aber ich achte heute viel mehr darauf, wie das Papier hergestellt wird, das ich verwende. Und auch ob die Firmen dahinter umweltbewusst arbeiten, nachhaltige Innovationen fördern.
Beispielsweise ´gibt es Papier, das aus Apfelresten (einem Abfallprodukt aus der Apfelsaftherstellung) gemacht wird. Anderes hat Bestandteile aus Algen, Kaffee, Oliven oder Kirschkernen. Solches Material suche ich und teste es, ob es sich für meine Kunst eignet – darüber schreibe ich demnächst mal einen eigenen Artikel.
Ich bin noch dringend auf der Suche nach einem Ersatz für Acrylfarben. Das Mikroplastik macht mir nämlich wirklich Sorgen. Zwar tue ich alles, damit möglichst nichts davon ins Abwasser kommt, aber eine Dauerlösung ist das nicht. Ich hatte meine Hoffnungen auf die plastikfreien Farben von Placrylic™ gesetzt und wollte sie schon lange testen.
Meine liebe Kollegin Annett Wagner hatte sie getestet und für ihre eigene Kunst nicht als geeignet befunden. Sie war so nett, mir die restlichen Farben zu überlassen. Leider finde ich sie auch nicht geeignet. Natürlich ist es meine eigene Schuld, dass ich den Test fast ein Jahr lang aufgeschoben habe. Trotzdem, das Gel Medium war inzwischen teilweise schimmlig.
Vielleicht lässt sich damit umgehen, in dem man es in ein geeigneteres Aufbewahrungsbehältnis umfüllt – und es nicht ein Jahr lang rumstehen lässt (shame on me). Aber es gab keine Anleitung mit dem richtigen Mischungsverhältnis und ich kam allgemein nicht gut damit klar. Vielleicht teste ich es irgendwann nochmal. Aber so richtig motiviert bin ich nicht.
Auch meine Versuche mit Gouache waren nicht vollständig von Erfolg gekrönt. Ich mag die Farben schon, auch wenn der Umgang mit ihnen für mich durchaus eine Herausforderung war. Aber ein lückenloser Ersatz für Acrylfarben sind sie nicht. Das heißt aber nicht, dass ich aufgebe. Ich suche immer weiter nach umweltfreundlicheren Alternativen und wenn du eine Idee hast, bitte, bitte, lass es mich wissen!
Kunst ist nicht neutral
Meine Kunst drückt aus, was mich beschäftigt. Dazu gehören neben persönlichen Themen wie Mental Health oder Frausein eben auch Fragen zum Umwelt- und Artenschutz.
Manche Werke greifen diese Themen direkt auf. Sie erzählen von den Folgen des Klimawandels oder zeigen die Schönheit dessen, was auf dem Spiel steht.
Viele dieser Arbeiten habe ich Umweltinitiativen für ihre Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung gestellt. Und Teile des Erlöses anderer Bilder gingen – und gehen – an Organisationen, die sich für bedrohte Arten oder den Schutz natürlicher Lebensräume einsetzen.
Jeder kann sich fragen, was wichtig ist, und was im eigenen Rahmen machbar ist. Als Künstlerin habe ich zum Glück viele Möglichkeiten, meinen Beitrag zu leisten. Und damit bin ich nicht alleine.
Gleiche Fragen, andere Wege
Nachhaltigkeit ist längst kein Randthema mehr. Immer mehr Kunstschaffende thematisieren es öffentlich, manche bauen ihre gesamte Praxis darauf auf. Es entstehen Netzwerke, Preise, Initiativen. Auch Museen, Kunstvereine und Förderprogramme beginnen sich zu öffnen.
Dabei geht es nicht mehr nur um Inhalte, sondern auch um Prozesse. Um Materialien, Herstellungsweisen, Transportwege, Energieverbrauch. Und um die Frage, wie sich all das mit dem eigenen Ausdruck verbinden lässt. Dabei gibt es so viele Ansätze, wie es Künstler:innen gibt, die sich mit dem Thema beschäftigen.
Meine bereits oben erwähnte Kollegin Annett Wagner zum Beispiel nutzt hauptsächlich Visitenkarten, Altpapier und Sperrholzplatten für ihre Kunst. Die daraus entstandenen Kunstwerke zeigen „Lost Places“. Orte, die sich die Natur zurückerobert.
In Danielle Pettis Arbeiten spielen Steine eine besondere Rolle, deren Formen sie inspirieren und aus denen sie selbst Pigmente gewinnt. Die transformatorische Kraft der Zeit steht dabei im Mittelpunkt ihrer Werke.
Streifzüge durch die Natur inspirieren die kanadische Künstlerin Sandra Veillette; sie bringt von ihnen auch die Materialien mit, aus denen sie wundervolle Kunstwerke schafft, die Menschen für die Schönheit der Welt um uns herum begeistern sollen. Ihre verspielten Figuren entstehen aus Holz, Wurzeln, Knochen, Pilzen, Wespennestern, Federn usw.
Wege finden
Von solchen Künstler:innen lasse ich mich gern inspirieren. Sie gehen neue Wege, stellen Fragen, passen ihre Praxis an, hinterfragen Materialien. Das motiviert auch mich, meine eigenen Gewohnheiten immer wieder zu überprüfen.
Ich bin längst nicht da, wo ich sein möchte. Aber ich suche weiter nach besseren Lösungen, nach Alternativen, nach Wegen, die zu mir passen. Nachhaltigkeit ist kein abgeschlossener Zustand. Es bleibt ein Prozess.